Am 29. November hat das Bundesfamilienministerium den Dritten Freiwilligensurvey vorgelegt. Der Freiwilligensurvey ist die größte empirische Studie zu freiwilligem Engagement und Ehrenamt in Deutschland. Er beruht auf 20.000 telefonischen Interviews, erfasst subjektive Einschätzungen zu Engagement und zivilgesellschaftlichen Aktivitäten. Befragt wurden auch rund 900 Studierende an Fachhochschulen und Universitäten im ganzen Bundesgebiet.
Die Forscher/innen von TNS Infratest haben errechnet, dass die Engagementquote bei Studierenden bei 43% liegt, und damit deutlich über dem Bevölkerungsdurchschnitt von 36%. Die Engagementquote bezeichnet den Anteil von Bürgerinnen und Bürgern, die sich unentgeltlich in Vereinen, Bürgerinitiativen und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen engagieren. Bei den Studierenden hat sich diese Zahl seit 1999 sogar ein wenig erhöht.
Jüngere Studierende engagieren sich weniger
Auffällig ist, dass sich jüngere Studierende (20-24 Jahre) deutlich weniger engagieren als ihre älteren Kommiliton/innen (25-29 Jahre). In den Jahren 1999 und 2004, in denen die erste und zweite Welle des Freiwilligensurveys durchgeführt wurden, war es im Gegensatz so, dass sich jüngere Studierende deutlich mehr engagierten als ältere Studierende. Jüngere Studierende sind heute überproportional in BA- und MA-Studiengängen vertreten, während ältere noch auf Magister oder Diplom studieren.
„Diese Diskrepanz könnte ein Hinweis, darauf sein, dass die neuen Studiengänge weniger Zeit für freiwilliges Engagement lassen. Mit den vorliegenden Daten können wir das aber nicht belegen“, erklärt Silke Schneider, die im Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, die Berichtslegung wissenschaftlich begleitet.
Immerhin können die Studierenden laut Freiwilligensurvey ihre Freizeit (trotz Studium, Job und anderen Verpflichtungen) recht gut planen, wobei dies den 20-24-Jährigen noch am wenigsten gelingt.
Qualifikation und beruflicher Nutzen sind wichtig
Schüler, Auszubildende und Studierende bezeichnen ihre Tätigkeiten zumeist als „Freiwilligenarbeit“, während in der Gesamtbevölkerung „freiwilliges Engagement“ der präferierte Begriff ist. Bei ihnen spielt außerdem die Initiativen- und Projektarbeit eine erhöhte Rolle (jeweils 11%). Engagierte junge Menschen in der Bildungs- und Ausbildungsphase sehen ihre Tätigkeit außerdem auch vermehrt als nebenberufliche Tätigkeit an (6%).
Fragt man nach den Motiven für studentisches Engagement, wird man im Hauptbericht nicht fündig. Allerdings heißt es, dass jüngere Menschen insgesamt sich im Engagement „qualifizieren wollen, außerdem ist für die 20-29-Jährigen die Erwartung eines beruflichen Nutzens ein starkes Motiv. Familienministerin Kristina Schröder sieht darin kein grundsätzliches Problem: Vom ehrenamtlichen Engagement profitierten nicht nur die anderen, sondern auch die Freiwilligen selbst, betonte sie bei der Vorstellung des Surveys.
Schon in der HISBUS-Studie „Studium und darüber hinaus?“ kommt der Autor Lars Fischer zu dem Schluss, dass utilitaristische Motive bei den Nachwuchs-Akademiker/Innen klar vor altruistischen Motiven liegen.
Im Hauptbericht fehlen leider auch Angaben dazu, in welchen Bereichen sich Studierende engagieren. Auf die Gesamtbevölkerung gesehen liegen Sport, Schule/Kindergarten, und Kirche/Religion vorne. Lokales Bürgerengagement und berufliche Interessensvertretung landen hingegen auf den hintersten Plätzen. Dem Hauptbericht ist lediglich zu entnehmen, dass das Engagement von Studierenden zum großen Teil (71%) außerhalb der Hochschule stattfindet. Dazu passt, dass in vielen Fachschaftsräten und anderen Gremien der Nachwuchs fehlt. Mag sein, dass diese Gremien von vielen als nicht mehr zeitgemäß angesehen werden.
Studentisches Engagement ist wie Engagement überhaupt von vielen Faktoren abhängig, das individuelle Zeitregime ist nur einer davon. Grundsätzlich muss erst mal ein Interesse für öffentliche Angelegenheiten vorhanden sein. Laut Freiwilligensurvey ist dies bei einem Großteil der nicht-engagierten jungen Menschen vorhanden. Viele (64%) sind auch potenziell zur Übernahme eines Ehrenamtes oder ähnlicher Aufgaben bereit.
Engagementfreundliche Rahmenbedingungen an Hochschulen könnten dazu beitragen, das studentische Engagementpotenzial zu erschließen. In Engagementforschung und -praxis wurden dazu schon einige konkrete Vorschläge gemacht. Für Studierende, aber auch Lehrende und Hochschulleitungen, sind diese Vorschläge durchaus lesenswert.
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Stefanie Groll ist Politikwissenschaftlerin und promoviert an der Universität Münster.